Pentagon richtet UAP Task Force ein
Pentagon

Wie das US-Verteidigungsministerium versucht, einer echten Aufklärung des Phänomens zuvorzukommen

von Robert Fleischer

„Es ist unglaublich“, sagte mir jüngst der Journalist George Knapp im Interview, „was UAPs angeht, scheinen sich im US-Kongress beide Parteien einig zu sein – ganz im Gegensatz zu allen anderen Themen“.

In der Tat: Laut Aussagen führender Beamter häufen sich in jüngster Zeit UAP-Sichtungen in der Nähe von Militärübungen und -anlagen. NASA-Chef Bill Nelson erwähnte kürzlich in einem Interview mit der University of Virginia „300 weitere Sichtungen“, die sich seit dem „Tic-Tac-Vorfall“ rings um das Flugzeugträgergeschwader Nimitz im Jahr 2004 vor der Westküste der USA ereignet hätten. Die US-Senatorin Kirsten Gillibrand – selbst Mitglied in den Senatsausschüssen für Streitkräfte und Geheimdienste – sprach im Interview mit Politico von „wiederholten Berichten in den letzten zwei oder drei Jahren über diese vermehrten Sichtungen durch Navy-Piloten und Air Force-Piloten“.

Über die Schaffung einer UFO-Behörde kursieren mehrere Gesetzesvorhaben

Das US-Repräsentantenhaus hat am 23. September einen Entwurf für den National Defense Authorization Act für das Geschäftsjahr 2022 verabschiedet. Darin enthalten ist ein 571 Wörter langer Abschnitt, der dem Pentagon neue Verpflichtungen in Bezug auf UAPs auferlegt. Der US-Senat hat am 22. September ebenfalls einen Entwurf für den Defense Authorization Act vorgelegt, in dem nichts über UAP enthalten ist; allerdings hatte der Senate Select Committee on Intelligence bereits im Juli Vorschläge zu UAP gemacht. (Quelle)

Die beiden Gesetzentwürfe stehen zwar nicht in direktem Widerspruch zueinander, verfolgen aber unterschiedliche Ansätze – der Entwurf des Repräsentantenhauses enthält in einigen Punkten detailliertere inhaltliche Anforderungen, verlangt aber weniger häufige Berichte an den Kongress.

Kernpunkte:

  • Schaffung einer Abteilung, die die Aktivitäten der UAPTF fortführt, in Abstimmung mit dem Direktor der nationalen Geheimdienste (ODNI)
  • Ein jährlicher klassifizierter Bericht über UAP und
  • Abschaffung der UAP Task Force.

Der weitestgehende Vorschlag kommt von Senatorin Gillibrand

Am 4. November brachte die demokratische Senatorin Kirsten Gillibrand aus New York einen viel umfassenderen Änderungsvorschlag ein.

Senatorin Gillibrand hat sich bisher nicht öffentlich zum Thema UAP geäußert. Sie ist jedoch gleichzeitig Mitglied des Senatsausschusses für Streitkräfte und des Sonderausschusses des Senats für Nachrichtendienste, und aufgrund dieser Mitgliedschaften hat sie seit 2017 Zugang zu geheimen Informationen über UAP.

Der Änderungsantrag von Gillibrand würde erheblich weiter gehen als die anderen Vorschläge, da er das Verteidigungsministerium und die Geheimdienste verpflichten würde, neue institutionelle Regelungen zu schaffen und erhebliche Ressourcen für die Untersuchung und Analyse von UAP bereitzustellen sowie auf UAP-bezogenes Fachwissen von außerhalb der Regierung zurückzugreifen.

Außerdem – und das ist sehr bezeichnend und im Gegensatz zu den anderen drei anhängigen Vorschlägen – würde das Gillibrand Amendment eine größere Regierungstransparenz in Sachen UAPs fördern – er sieht die jährliche Herausgabe von öffentlichen, nicht klassifizierten Berichten über UAP vor und erweitert die Liste der in diesen Berichten zu behandelnden Themen um mehrere Bereiche, die für UAP-Interessierte von besonderem Interesse sind, insbesondere UAP-Ereignisse im Zusammenhang mit Kernwaffenplattformen.

Kernpunkte:

Schaffung eines „Anomaly Surveillance and Resolution Office“ (ASRO) beim DoD oder ODNI.

Aufgabe:

Sammlung und Analyse von Fällen standardisieren, darunter auch biologische Effekte, aus Militär und Geheimdienst; Felduntersuchungen durch extra geschultes Personal; Entwicklung eines „Wissenschaftsplans“ zur Ergründung der Funktionsweise von UAP, die den aktuellen Wissensstand übersteigen in den Bereichen Antrieb, aerodynamische Steuerung, Signaturen, Strukturen, Werkstoffe, Sensoren, Gegenmaßnahmen, Waffen, Elektronik und Energieerzeugung sowie als Grundlage für potenzielle künftige Investitionen zur Nachbildung dieser fortschrittlichen Eigenschaften und Leistungen“.

 Gillibrands Formulierung würde vorschreiben, dass die ASRO Jahresberichte sowohl in nicht klassifizierter als auch in klassifizierter Form herausgibt. Die Berichte würden zwar an sechs benannte Kongressausschüsse weitergeleitet und könnten klassifizierte Anhänge enthalten, die nicht klassifizierten Teile der Berichte würden aber vermutlich veröffentlicht werden.

UAP-Beratungsausschuss gefordert

Der Gillibrand-Änderungsantrag enthält auch einen neuen Abschnitt, der in keinem der drei früheren Legislativvorschläge zu finden war und der den Verteidigungsminister und den Direktor des Nationalen Nachrichtendienstes verpflichtet, einen „Beratenden Ausschuss für Luft- und Transmediumsphänomene“ einzurichten, der die ASRO und den DNI in UAP-bezogenen Angelegenheiten beraten soll.

Der Änderungsantrag sieht vor, dass maximal 25 Personen ernannt werden, die in der Lage sein müssen, „eine Sicherheitsüberprüfung auf Geheimhaltungsstufe oder höher“ zu bestehen.  Davon wären 20 Personen, die von verschiedenen Organisationen, die in der Änderung genannt werden, benannt werden – zum Beispiel zwei Personen, die vom Präsidenten des American Institute of Aeronautics and Astronautics benannt werden, zwei Personen, die vom Vorstand der Scientific Coalition for UAP Studies benannt werden, und so weiter. Der Verteidigungsminister und der DNI würden fünf weitere Mitglieder auswählen. (Quelle)

Mit ihrem Vorschlag rannte Senatorin Gillibrand bei wichtigen Mitgliedern des Geheimdienstausschusses offene Türen ein. Marco Rubio (R-FL) und Martin Heinrich (D-NM) unterstützten das Vorhaben, das damit die übrigen Vorschläge verdrängte. Wie es aussah, würde der US-Kongress in naher Zukunft das wohl umfassendste und transparenteste UFO-Forschungsprojekt der Welt beschließen. Doch es sollte anders kommen.

Präventivschlag des Pentagon gegen Senatsvorhaben – Die „Airborne Object Identification and Management Synchronization Group“ (AOIMSG)

Plötzlich hat das US-Verteidigungsministerium ganz offiziell und unabhängig von den Gesetzesvorhaben im Kongress eine neue Abteilung gegründet, um das Phänomen zu erforschen. Sie trägt den sperrigen Namen „Abteilung für die Synchronisierung der Identifizierung und Verwaltung von luftgestützten Objekten“ (AOIMSG.). AOIMSG übernimmt nun dauerhaft die Mission der UAP Task Force, die im Juni 2021 einen Bericht über UAP-Sichtungen beim Militär vorgelegt hatte.

„Das Eindringen von Flugobjekten in unseren Sonderluftraum ist für die Flug- und Betriebssicherheit bedenklich und kann ein Problem für die nationale Sicherheit darstellen“, erklärte das Pentagon am Dienstagabend in einer Pressemitteilung, in der die Änderung angekündigt wurde. „Das Verteidigungsministerium nimmt Berichte über Eindringlinge – egal ob es sich um identifizierte oder nicht identifizierte Flugobjekte handelt – sehr ernst und untersucht jeden einzelnen Fall.“

AOIMSG soll nun die Erfassung solcher Sichtungen durch verschiedene Abteilungen des Verteidigungsministeriums (Luftwaffe, Marine, Geheimdienste, etc.) koordinieren und bündeln.

Die Aufgaben der neuen UFO-Behörde

Konkret werden die Aufgaben der AOIMSG in einer Direktive der stellvertretenden Verteidigungsministerin Kathleen Hicks beschrieben. Hier die deutsche Übersetzung:

„Die Anwesenheit unidentifizierter Luftphänomene (UAP) im Luftraum für besondere Zwecke (Special Use Airspace, SUA), der gemäß 14CFR Part 73 ausgewiesen ist, stellt ein potenzielles Flugsicherheitsrisiko für die Flugbesatzung dar und gibt Anlass zu Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit. Dementsprechend weise ich den Unterstaatssekretär für Nachrichtendienste und Sicherheit (USD(I&S)) an, die Airborne Object Identification and Management Synchronization Group (AOIMSG) einzurichten, um die Bemühungen innerhalb des Ministeriums und mit anderen Bundesministerien und -behörden zu synchronisieren, damit Objekte von Interesse in SUA erkannt, identifiziert und zugeordnet werden können, und um alle damit verbundenen Bedrohungen für die Sicherheit und die nationale Sicherheit zu bewerten und gegebenenfalls zu entschärfen. Um die AOIMSG zu beaufsichtigen und zu leiten, setze ich den Airborne Object Identification and Management Executive Council (AOIMEXEC) ein. Der USD(I&S) wird der leitende DoD-Beamte sein, der für diesen Prozess verantwortlich ist; er wird gemeinsam mit dem Direktor für Operationen, Gemeinsamer Stab, den Vorsitz im AOIMEXEC führen und das Büro des Direktors der nationalen Nachrichtendienste zur Teilnahme auf höchster Ebene auffordern. Die Bereitstellung von Mitteln für diese Anforderung wird im Rahmen des Prozesses zur Überprüfung des Programmbudgets behandelt.

Der Direktor der AOIMSG (nachstehend „der Direktor“ genannt) wird die Aktivitäten des Büros des Verteidigungsministers (OSD) und der DoD-Komponenten sowie anderer Ministerien und Behörden der US-Regierung synchronisieren, um die Flugsicherheit und die nationalen Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit UAP oder anderen Flugobjekten in SUA zu minimieren. Der Direktor wird sich mit Unterstützung der Leiter der OSD und der DoD-Komponenten mit diesem Problem befassen, indem er die Berichterstattung über UAP-Vorfälle im gesamten Ministerium vereinheitlicht, Lücken in den operativen und nachrichtendienstlichen Erkennungsfähigkeiten identifiziert und verringert, operative, nachrichtendienstliche und spionageabwehrtechnische Daten sammelt und analysiert, gegebenenfalls Empfehlungen für politische, regulatorische oder gesetzliche Änderungen abgibt, Ansätze zur Verhinderung oder Abschwächung von Risiken, die von Objekten von Interesse in der Luft ausgehen, ermittelt und andere vom Direktor für notwendig erachtete Aktivitäten durchführt. Darüber hinaus ermittelt der Direktor in Abstimmung mit dem OSD und den Leitern der DoD-Komponenten Anforderungen und empfiehlt Änderungen in den Bereichen Doktrin, Organisation, Ausbildung, Material, Führung, Personal, Arbeitskräfte, Einrichtungen und Ressourcen, die dem AOIMEXEC zur Prüfung, Erwägung und gegebenenfalls Umsetzung durch den zuständigen Leiter der DoD-Komponente vorgelegt werden.

Mit sofortiger Wirkung wird das AOIMEXEC in Abstimmung mit dem OSD und den Leitern der DoD-Komponenten den Übergang der derzeitigen UAP-Task Force zur AOIMSG verwalten. Das AOIMEXEC wird einen amtierenden Direktor der AOIMSG ernennen und mir Leitlinien für die Umsetzung zur Genehmigung vorlegen. In diesen Leitlinien werden die organisatorische Zusammensetzung, die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der AOIMSG, des AOIMEXEC sowie des OSD und der DoD-Komponenten festgelegt.“

Kritik von Insidern

Damit bleibt die neue Abteilung weit hinter den Funktionen zurück, die etwa die US-Senatorin Kirsten Gillibrand gefordert hatte. Mit keiner Silbe wird in dieser Direktive etwa eine Rechenschaftspflicht gegenüber der Bevölkerung erwähnt. Die nun vorgeschlagene Abteilung soll  beim Büro des Untergeordneten Verteidigungsministers für Nachrichtendienste USDI verbleiben, wo auch bislang UFO-Fälle gesammelt worden waren – mehr jedoch nicht. Herbe Kritik daran äußerte auf Twitter Luis Elizondo, der bis zu seiner Kündigung im Jahr 2017 selbst für den USDI tätig gewesen war und dort das im Pentagon beheimatete AATIP-Projekt geleitet hatte:

„Bitte bitte, bitte nehmen Sie Kontakt zu Ihren Repräsentanten auf und informieren Sie sie darüber, dass dies inakzeptabel und nicht im besten Interesse des amerikanischen Volkes ist. Das USDI ist genau die Behörde, das kontinuierlich über dieses Thema gelogen und Whistleblower verfolgt hat.“ – Luis Elizondo am 24. November 2021 auf Twitter

Doch auch Christopher Mellon äußerte Kritik. Mellon war früher selbst als stellvertretender zweiter Verteidigungsminister für Nachrichtendienste für das USDI tätig gewesen und hatte sich seither gemeinsam mit Luis Elizondo dafür stark gemacht, dass das Thema auf politischer Ebene die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient. In einem offenen Brief an Senator Ruben Gallego zeigte er sich „schockiert“ über die Tatsache, dass dass Verteidigungsministerium die UAP-Funktion an einen Aufsichtsstab übertragen hat, „der weder über Mittel für UAPs noch über Richtlinienkompetenz, Vertragsabschlüsse, Kommando- oder technische Fähigkeiten verfügt“. Die „Unfähigkeit“ des USDI, sich in der UAP-Frage wirksam einzusetzen, sei der Grund dafür, dass sich seit 2004 so wenig bewegt habe.

Noch scheint das letzte Wort nicht gesprochen zu sein. In US-Medien rollt gerade eine Welle der Unterstützung für Gillibrands Vorschlag an. So fordert etwa Tom Rogan vom Washington Examiner: „Der Kongress sollte so tun, als ob die Ankündigung von Hicks nie stattgefunden hätte. Er sollte den Gillibrand-Änderungsantrag verabschieden und echte Maßnahmen erzwingen.“

Auch der Empfänger des offenen Briefs von Christopher Mellon, Senator Ruben Gallego, hat inzwischen Unterstützung für den Vorschlag seiner Kollegin Gillibrand signalisiert. Laut dem Journalisten Bryan Bender von Politico halte Gallego weiterhin einen Gesetzesvorschlag für nötig, der der Regierung mehr Befugnisse, Mittel und Anweisungen für die aktive Sammlung und Analyse von UAP-Sichtungsberichten gebe. Er habe inzwischen mit Gillibrand telefoniert und sich verständigt, gemeinsam daran zu arbeiten.

Immerhin zeigt die Gründung von AOIMSG: UFOs/UAPs sind ein reales Phänomen, das ernst genommen werden muss. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich dies auch in Deutschland herumspricht.

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1 Kommentar

  1. Zu Deutsch: Es wurde eine neue Lügen – und Vertuschungsbehörde geschaffen. Ausgestattet mit viel Geld, von den „Demokraten“ initiiert. Na dann. Jetzt kann nichts mehr schief gehen. Wer auf Erkenntnisgewinn aus dieser Ecke hofft, glaubt auch an die elfunddreißigste Coronavariante von Karl Klabautermann.

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