Das UFO-Foto von Petit-Rechain, Symbol der belgischen UFO-Welle, soll nur eine Styroporplatte gewesen sein. Doch bei Wissenschaftlern, die es damals untersuchten, mehren sich die Zweifel.
Es war Sinnbild einer verrückten Zeit, in der unsere belgischen Nachbarn Besuch von UFOs bekamen: Das UFO-Foto von Petit-Rechain. Es zeigt ein dreiecksförmiges Objekt, das zu dieser Zeit von tausenden Belgiern gesichtet wurde: Drei weiße Scheinwerfer sowie ein pulsierendes rotes Licht in der Mitte. Am 29. November 1989 ging es los. Beamte der Gendarmerie entdeckten merkwürdige, dreiecksförmige Objekte am Himmel über Belgien. Fortan wurden immer mehr UFOs gemeldet. Bis 1991 hielt die UFO-Welle an, das fragliche UFO-Foto soll im April 1990 entstanden sein.
Die Königliche Belgische Militärakademie, das französische staatliche Forschungszentrum CNRES, die amerikanische Raumfahrtagentur NASA und die zivile UFO-Forschungsgesellschaft SOBEPS untersuchen den Schnappschuss. Keiner der Wissenschaftler kann Hinweise auf eine Fälschung erkennen. Erst mehr als zwei Jahrzehnte später, am 26. Juli, lässt RTL Belgien die Bombe platzen. Der Privatsender präsentiert „Patrick“, den Urheber des UFO-Fotos von Petit-Rechain. Der Schnappschuss, der jahrzehntelang die internationale Wissenschaftlergemeinde beschäftigt hatte, sei nichts als eine plumpe Attrappe gewesen sein. Gemeinsam mit seinen Arbeitskollegen habe der damals 18jährige das Modell zusammen gezimmert. „Dann haben wir es mit dem aufgehängt, was wir da hatten – einen Hocker und ein Stück Holz“.
60-80 cm sei die Styroporplatte groß gewesen, angestrichen mit blauer Acrylfarbe. Entstanden sei das berühmteste UFO-Bild Belgiens in einem kleinen Garten an der Rue Nicolas Arnold in Petit-Rechain, nur zwei Gärten vom Sommerhäuschen des belgischen Abgeordneten Melchior Wathelet entfernt.
„Vor dem Garten gab es einen kleinen Vorhof, und dort wurde das Foto, das Dia gemacht. Ich habe den Griff von einem Pinsel horizontal zwischen den oberen Mauerrand und einen Hocker gestellt. Und mit einem Fischereifaden aus Nylon habe ich mein UFO-Modell an dem Pinselgriff befestigt. Aber da man ja die Lichter sehen sollte und mein Modell nur auf einem Bein in meinem Hof stand, brauchte ich noch ein paar Bindfäden, um es schief aufzuhängen. Und aus dem richtigen Blickwinkel fotografiert waren da nur noch das Modell und der Himmel zu sehen.“ (Quelle)
Diverse französischsprachige Fernsehsender greifen die Meldung von RTL auf, verwenden das Original-Bildmaterial und texten den Bericht nach ihrem Gusto um. Dennoch: An der Existenz der belgischen UFO-Welle selbst rütteln sie nicht. Zu viele Belgier hatten die Objekte gesehen, und auch die Tatsache, dass sie auf Militärradar festgehalten wurden, spricht gegen eine kollektive Täuschung.
Doch wer ist der Mann, der angeblich das Foto machte? Aus den Medien erfahren wir nur, dass es sich um „Patrick“ handelt. Zum Sichtungszeitpunkt sei er 18 Jahre alt gewesen. Leider erfahren wir nicht, woher RTL so genau weiß, dass Patrick damals das Foto schoss.
Tatsächlich gibt es Widersprüche zwischen den damals berichteten Fakten und denen, die Patrick schildert. Laut Untersuchungsbericht der SOBEPS sei der Zeuge damals 20 Jahre alt gewesen, nicht 18. Das Objekt habe er mit seiner zwei Jahre jüngeren Freundin beobachtet, das Foto erst einmal in einer Schublade verschwinden lassen. Die Freundin, eine Studentin, soll das Foto an der Universität einigen Professoren gezeigt haben. Der Fotograf selbst hielt sich bedeckt, erzählte nur einem Arbeitskollegen davon. Dieser berichtete dann einem Journalisten, der die Story publik machte – erst sieben Monate später. Es drängt sich die Frage auf, warum der Fälscher solange gewartet hat, bevor er sein Machwerk unter die Leute brachte. Zudem haben Forscher mit dem Original-Apparat des Fotografen herum experimentiert und nichts Vergleichbares reproduzieren können. (vgl. UFO-Welle über Belgien, S.590ff.)
Auch bei Wissenschaftlern mehren sich die Zweifel. Der Physiker Auguste Meessen von der Katholischen Universität Löwen hat das Foto seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1990 untersucht und interessante Anomalien festgestellt. Dem Experten zufolge sind bestimmte Elemente des Fotos nicht mit einem einfachen Modell zu erklären. Vor allem zweifelt Meessen an Patricks Behauptung, er habe Glühlampen verwendet, die aus einfachen Taschenlampen stammen. Denn die Lichter auf dem Foto sind im Verhältnis zum Objekt tatsächlich größer als das, was eine Taschenlampe leisten könnte.
Einen Tag nach dem ersten RTL-Beitrag besucht Meessen darum den vermeintlichen Fotografen und stellt ihn zur Rede. Ein Kamerateam begleitet ihn. Und Überraschung: Auf seine vielen Fragen erhält Meessen oft dieselbe Antwort: „Ich weiß es nicht“.
Eine weitere Anomalie des Fotos wurde im TV-Beitrag nicht besprochen, geht aber aus dem Interviewtranskript hervor, das RTL Belgien auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Wissenschaftler haben die drei Farbschichten des Dias voneinander getrennt und festgestellt, dass das Objekt auf der blauen Schicht zu sehen ist – nicht jedoch auf der roten. Wie so etwas zu erklären sei, möchte Meessen wissen. „Das weiß ich auch nicht“, entgegnet Patrick.
So bleibt abzuwarten, ob es sich beim UFO-Foto von Petit-Rechain tatsächlich um eine Fälschung handelt oder nicht. Allein SOBEPS, die UFO-Forschungsgesellschaft, die es damals in Empfang nahm, könnte zweifelsfrei klären, ob Patrick tatsächlich der ist, der er vorgibt zu sein. Entsprechende Anfragen haben wir bereits an die Organisation gestellt. Eine Antwort steht derzeit noch aus.