Der Rechtsanwalt Klaus Stähle analysiert in diesem Gastbeitrag, ob die USA und Kanada das Recht hatten, die drei unidentifizierten Flugobjekte abzuschießen.
von Rechtsanwalt Klaus Stähle
Seit über den USA und Kanada Ballons und UFOs gesichtet und auch abgeschossen wurden, gibt es Spekulationen, um was es sich bei den nach dem Abschuss des chinesischen Ballons abgeschossenen Objekten gehandelt haben könnte. Seltsamerweise werden rechtliche Fragen, die mit einem Abschuss verbunden sind, nicht diskutiert.
Das erste abgeschossene Objekt war unstreitig ein Ballon, an welchem Instrumente hingen und offensichtlich von China auf den Weg geschickt wurde. Aufnahmen der drei weiteren von US-Militärpiloten abgeschossenen Objekte wurden nicht veröffentlicht. Es er- scheint unwahrscheinlich, dass keine Aufnahmen gefertigt wurden. Mündliche Äußerun- gen der Piloten jedenfalls deuten eher in die Richtung, dass es sich hier nicht um einen klassischen Ballon gehandelt haben dürfte. Beschreibungen wie ein schwebendes Achteck, kein erkennbarer Antrieb und andere Äußerungen können Ballons nicht ausschließen, sind aber ohne weitere Aufklärung UAPs. Der Abschuss der unidentifizierten Flugobjekte soll zum Anlass genommen werden, einmal darüber nachzudenken, wie derlei Abschüsse überhaupt rechtlich zu beurteilen sind.
Wir müssen zwischen Weltraumrecht und Luftfahrtrecht unterscheiden. Ab 100 km Höhe sprechen wir gemeinhin von Weltraum. Hier ging es mithin offensichtlich um den Bereich des Luftrechts. Im Luftraum müssen wir zwei Kategorien unterscheiden. Zum einen haben wir den nationalen Luftraum. Hier kann die jeweilige Nation, die überflogen wird, im Prinzip bestimmen, wem sie den Überflug erlaubt (sog. Lufthoheit). Tatsächlich sind die Über- flugrechte für die zivile Luftfahrt weitgehend im Chicagoer Luftfahrtübereinkommen von 1944 geregelt. Danach erlauben die Mitgliedsstaaten dieses Abkommens wechselseitig den Überflug, wenn die Regeln des Abkommens beachtet werden. Darüber hinaus haben wir den internationalen Luftraum über internationalen Gewässern, der von allen genutzt und durchflogen werden kann. Weder Chinesen noch Aliens dürfen sich mit militärischen Flugapparaten im nationalen Luftraum bewegen, solange sie nicht die Erlaubnis der nationalen Luftraumbehörden hierfür erhalten haben. Zivilen Fluggeräten (sog. Privatflugzeugen im Unterschied zu sog. Staatsluftfahrtzeugen wie z. B. Militär oder Polizei) muss aber nur dann der Überflug erlaubt werden, wenn die Beteiligten Unterzeichnerstaaten des Chicagoer Luftfahrtabkommens sind.
Schwirrt ein UFO oder schwebt ein chinesischer Ballon über internationalem Gewässer, wäre ein Abschuss jedenfalls ein krasser Verstoß gegen das Völkerrecht. Anders würde es sich nur dann verhalten, wenn das abschießende Militär einen Angriff der Chinesen oder der Aliens abwehren wollte, wenn also etwa Krieg zwischen der überflogenen Nation und Außerirdischen bestünde oder die Welt insgesamt im Krieg mit den Aliens stünde.
Aber auch dann dürfte ein UFO, welches keinem militärischen Zweck dient, also z. B. eine „Passagiermaschine“, nicht abgeschossen werden. Da wir im Gegensatz zu vielen Science Fiction zum Glück keinen Krieg mit Aliens haben, ist also ein Abschuss jedenfalls über internationalen Gewässern völkerrechtswidrig. Völkerrechtswidrig ist auch der Abschuss eines chinesischen Ballons, wenn er internationale Gewässer überfliegt.
Im nationalen Luftraum bestimmen aber die nationalen Luftraumbehörden. Bewegt sich ein Flugobjekt im nationalen Luftraum und wird angefunkt und aufgefordert, sich zu erkennen zu geben, reagiert aber nicht, so kann die betroffene Nation auch militärische Abfangjäger aufsteigen lassen. Die Piloten können den Eindringling durch ihr Flugverhalten auffordern, zu landen, auch dann, wenn das Flugobjekt auf Funksignale nicht reagiert. Folgt es nicht den Aufforderungen der Piloten, können auch Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.
Fliegt ein UFO sehr langsam, dürfte der schnelle Kampfjet ohnehin schon ein Problem haben, sich anzunähern und das UFO zur Landung zu zwingen. Wenn aber keine Bedrohung vom UFO (oder heute UAP, Unidentified Aerial Phenomena) ausgeht, weil kein er- kennbarer Angriff bevorsteht und weil es auch nicht in der Höhe des von der zivilen Luft- fahrt genutzten Luftraums schwebt oder sich bewegt, gibt es keine Veranlassung zum Abschuss. Im Bereich bis 12 km Höhe sind zivile Luftfahrtzeuge unterwegs. Bis 18 km Höhe sind Militärische Flugzeuge unterwegs, darüber fliegen aber weder militärische noch zivile Flugzeuge.
Wenn durch überlegene Technik der Aliens deren Objekte unproblematisch den irdischen Flugzeugen ausweichen können, gibt es wohl auch keinen Grund, diese im Höhenbereich von 0 bis 18 km abzuschießen, da keinerlei Gefahr für den irdischen Flugverkehr von ihnen ausgeht. In größerer Höhe kommt ein Abschuss erst recht nicht in Betracht.
Selbstverständlich liegt dann immer noch eine Verletzung des nationalen Luftraums vor, also in diesen eingedrungen zu sein, ohne eine entsprechende Erlaubnis und ohne die Verpflichtung des Chicagoer Luftfahrtabkommens beachtet zu haben. Da das Flugobjekt z.B. nicht in einem irdischen Herkunftsstaat registriert ist, können zwar Rechtsverstöße gegen Artikel 17 – 20 des Chicagoer Luftfahrtabkommens festgestellt werden. Ob diese aber einen Abschuss rechtfertigen, ist damit noch nicht gesagt.
Sollten von den Flugobjekten illegale Aktivitäten ausgehen, bezogen auf das nationale Recht des überflogenen Landes, z. B. Spionagetätigkeiten (Überflug von Militäranlagen) erkennbar sein, oder jedenfalls ein diesbezüglicher Verdacht bestehen, wäre der Ab- schuss gerechtfertigt. Aber auch dann müsste zunächst einmal geprüft werden, ob nicht Menschen oder Aliens hierdurch gefährdet werden. Ein Spionage-UFO jedenfalls muss niemand, weder bemannt noch unbemannt in seinem nationalen Luftraum tolerieren. Ein Abschuss wäre nach eindeutiger Warnung letztlich gerechtfertigt. Wenn das UFO aber keinen gefährdet, nicht spioniert und möglicherweise nur zu unserer Erforschung durch den nationalen Luftraum schwebt, wäre ein Abschuss unverhältnismäßig. Auch ein bloßes wissenschaftliches Interesse der USA, ein UAP näher untersuchen zu wollen, vermag den Abschuss nicht zu rechtfertigen, zumal nach einem Abschuss nicht mehr viel zur Erforschung übrig bleiben dürfte.
Über den Autor:
Klaus Stähle ist Autor des Buches Rechtsfragen beim Kontakt mit Extraterrestrischen. Völkerrecht, Wirtschaft und Politik – ein Gedankenmodell (erschienen im Berliner Wissenschafts-Verlag, ISBN 978-3-8305-5514-8, 186 Seiten, 36,00 €)
Siehe auch: Erstkontakt mit Außerirdischen wäre aus rechtlicher Sicht verheerend