UFOs_Bundestag

Am kommenden Donnerstag geht der Kampf um die Freigabe einer bislang zurückgehaltenen UFO-Studie des Bundestages in die vorerst letzte Runde

von Robert Fleischer

Wenn sich am kommenden Donnerstag die Türen des Sitzungssaals VI im altehrwürdigen Bundesverwaltungsgericht wieder öffnen, könnte Deutschland um einen echten Wissensschatz reicher sein – oder ärmer. Die Rede ist nicht vom Inhalt der UFO-Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages – dieser ist schon mehr oder weniger bekannt, seit ich vor fünf Jahren erstmals darüber berichtete – Nein: Die Rede ist vom Inhalt sämtlicher Aktenschränke der Wissenschaftlichen Dienste.

Diese Wissenschaftlichen Dienste unterstützen die Abgeordneten mit Expertisen und unparteiischen Informationen und Einschätzungen bei ihrer Wahrheits- und Entscheidungsfindung. Über die Jahre und Jahrzehnte hat sich so ein unüberschaubarer Berg an potenziell wertvollen Informationen aufgetürmt. Doch bislang stehen diese nur den Abgeordneten des Bundestages zur Verfügung.

Unparteiisch und ungetrübt von politischer Agenda wäre dieser Wissensschatz des Bundestages ein regelrechtes El Dorado für Journalisten: Wie hoch sind beispielsweise die Gefahren von Fracking wirklich? Welche Konsequenzen hätte eine Anhörung von Edward Snowden in Berlin für die sogenannte „transatlantische Freundschaft“? Gibt es Chancen für einen einseitigen Ausstieg Deutschlands aus der NATO? Was braucht es, um US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen? Wie weit reicht die Souveränität der Bundesrepublik tatsächlich? Und schließlich auch: Was ist dran an den UFOs?

ExoJournal: Deutsche UFO-Akten 2015: Bundestag kämpft gegen Freigabe

All solche Fragen wären für die Öffentlichkeit von großer Bedeutung. Doch der Bundestag hat von Beginn an gemauert. Bereits in der ersten Instanz im Dezember 2011 machten Vertreter der Bundestagsverwaltung geltend, dass die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste vom Urheberrecht geschützt seien und der Bundestag darum das Recht hätte, sie nicht zu veröffentlichen. Ein abstruses Argument, das Verwaltungen immer dann gern einsetzen, wenn es ihnen passt – nicht aber zum Beispiel beim Steuergesetz, einem ebenso von Beamten verfassten Text, dessen Lektüre sich der eine oder andere Steuerzahler sicherlich gern verbieten lassen würde.

Ein weiteres Argument betrifft den Status der Wissenschaftlichen Dienste selbst. Sind sie Teil der Bundestagsverwaltung, die die Abteilung finanziert, beaufsichtigt und beherbergt? Dann unterstünden sie dem Informationsfreiheitsgesetz, die Öffentlichkeit hätte ein Recht, sie zu sehen. Oder gehören sie zum parlamentarischen Betrieb? Damit wären sie vom IFG ausgenommen.

Da die Richter am Verwaltungsgericht Berlin den Bundestag in der ersten Instanz dazu verdonnert hatten, die UFO-Studie herauszurücken, ging dieser in Berufung.

Im November 2013, vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, traten die Vertreter des Parlaments nunmehr mit verfeinerten Argumenten gegen die Informationsfreiheit auf. Die Bundestagsverwaltung hatte, vertreten von der internationalen Staranwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs, ein teures Rechtsgutachten in Auftrag gegeben – wie viel genau es den Steuerzahler gekostet hat, darf der Steuerzahler jedoch nicht erfahren, wegen des „Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisses“.

Und das Rechtsgutachten, mit dessen Hilfe die Bundestagsverwaltung den Berufungsprozess wohl gewann, hat es in sich. Auf 59 Seiten begründet darin der Augsburger Juraprofessor Matthias Rossi, warum die UFO-Ausarbeitung und andere Schriften der Wissenschaftlichen Dienste geheim bleiben sollen. Mehr noch – es definiert Grundsätze der Demokratie völlig neu:

„Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags, wie auch diejenigen anderer Parlamente, können nicht nur, sondern sie dürfen und müssen zum Teil sogar einen Informationsvorsprung gegenüber den Bürgern haben, und es ist ganz allein an ihnen, ob und inwieweit sie es bei diesem Informationsvorsprung belassen.“ (Rechtsgutachten von Professor Rossi, S. 37)

Der Berliner Experte für Informationsfreiheit, Dr. Christoph Partsch, hält das Rechtsgutachten des Professor Rossi für ein reines Parteigutachten. Bereits in den 1960er Jahren hätte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Bürger umfassend informiert sein muss, um seine politische Meinung frei ausdrücken zu können. „Doch wie soll er sich umfassend informieren können, wenn ihm die Information vorenthalten wird?“, fragt Dr. Partsch. Den Beamten, aber auch Teilen der Richterschaft, attestiert Partsch ein „überraschendes Fehlverständnis“ davon, warum der Bürger ein Miteinsichtsrecht haben sollte, um seine politische Meinung ausüben zu können. „Ich kenne Fälle, in denen die öffentliche Hand über 50.000 € in Rechtsanwaltskosten gesteckt hat“, sagt er, „mit diesem Aufwand bekämpft die öffentliche Hand mit den Mitteln des Steuerzahlers den Steuerzahler.“

Kläger Frank Reitemeyer bringt es deutlicher auf den Punkt:

„Ein Bürger, der unwissend gehalten wird und entmündigt ist, der hat überhaupt gar kein Interesse mehr und sagt sich, na lass die da oben doch machen, mit mir hat das alles nichts zu tun. Das ist wohl auch ein Teil des Frustes, den weite Teile der Bevölkerung haben, dass sie sagen: Mit mir hat dieser ganze Politikbetrieb nichts zu tun.“

Und so steht beim Revisionsverfahren am kommenden Donnerstag in Leipzig wesentlich mehr auf dem Spiel als nur eine lieblos zusammengegoogelte UFO-Ausarbeitung der Parlamentswissenschaftler (die zudem aus Exopolitik-Quellen zitieren). Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags, das potenzielle neue El Dorado für Journalisten, könnten für die Regierung zur Büchse der Pandora werden.

Az: BVerwG 7 C 2.14 Donnerstag, 25. Juni 2015, 10 Uhr, Bundesverwaltungsgericht Leipzig, Sitzungssaal VI

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