UFO-Whistleblower-Gesetz
UFO-Whistleblower-Gesetz

Gibt es US-Geheimprojekte, in denen geborgene UFOs untersucht oder sogar nachgebaut werden? Der US-Kongress scheint davon überzeugt zu sein.

von Robert Fleischer

Das Repräsentantenhaus des US-Kongresses verabschiedete am 8. Dezember mit deutlicher Mehrheit (350/80) den National Defense Authorization Act (NDAA) für das Jahr 2023. Der US-Senat nahm das Gesetz am 8. Dezember mit 83/11 Stimmen ohne Änderungen an. Dieses wurde inzwischen von US-Präsident Joe Biden unterzeichnet. Laut dem Gesetz wird der Verteidigungshaushalt der USA wird im Jahr 2023 die astronomische Summe von 858 Milliarden US-Dollar betragen. Darin enthalten sind neue Bestimmungen zu den UFO-relevanten Aktivitäten des Verteidigungsministeriums (Gesetzestext hier):

  • Der Begriff „UAP“ wird in „Unidentifizierte Anomale Phänomene“ umgetauft;
  • Whistleblower, die in streng geheimen UAP-Projekten arbeiten, von denen der Kongress nichts weiß, sollen darüber Auskunft geben dürfen;
  • AARO, das „UFO-Büro“ des Pentagon, erhält mehr Befugnisse und Bedeutung;
  • es soll ein historischer Bericht über die Verwicklung von US-Geheimdiensten bei der Verschleierung von UAP-relevanten Ereignissen erstellt werden.

Im Folgenden dokumentieren wir die wichtigsten neuen Regelungen.

Hintergrund: Bereits im Jahr 2022 hatte das Verteidigungsministerium ein UFO-Untersuchungsbüro geschaffen, das die Aufgaben der „UAP Task Force“ übernehmen und deutlich ausweiten sollte. Dieses „All-domain Anomaly Resolution Office“ (AARO) bündelt sämtliche Aktionen des Pentagon, der US-Bundesbehörden sowie der Geheimdienste, um „Objekte von Interesse in, bei oder in der Nähe von Militäreinrichtungen, Einsatz- und Übungsgebieten, Lufträumen mit besonderer Nutzung und anderen wichtigen Orten zu erfassen und, falls nötig, jegliche damit verbundene Bedrohungen für die Sicherheit von Einsätzen und die Nationale Sicherheit zu beseitigen“. Zu besagten Objekten zählt das US-Verteidigungsministerium ausdrücklich auch „anomale, unidentifizierte Weltraum-, Luftraum-, Unterwasser- sowie Transmedium-Objekte“. Als „Transmedium-Objekte“ bezeichnet das Verteidigungsministerium solche Objekte, die mühelos zwischen dem Weltall, dem Luftraum und dem Wasser hin- und herwechseln können. Derzeitiger Direktor von AARO ist Dr. Sean Kirkpatrick, ein Wissenschaftler mit langer und beachtlicher Karriere als Geheimdienstoffizier und Projektmanager.
Weitere Informationen zu AARO finden Sie hier.

„UAP“ wird umgetauft

Das neue NDAA Gesetz fügt diesen Aufgaben von AARO neue Schwerpunkte hinzu.

Section 1673 des NDAA (im verlinkten PDF ab Seite 168) bezeichnet UAP nun als „Unidentified Anomalous Phenomena“ (dt: Unidentifizierte Anomale Phänomene). Diese neue Bezeichnung löst die alte, „Unidentified Aerial Phenomena“ (dt: Unidentifizierte Luftphänomene), ab, jedoch bleibt die Abkürzung „UAP“ dieselbe. Unter „Unidentifizierten Anomalen Phänomenen“ versteht das Gesetz die Begriffsbestimmung, die im NDAA des Jahres zuvor festgelegt wurde:

„50 U.S.C. 3373(l)

(4) Der Begriff „Transmedium-Objekte oder -Geräte“ bezeichnet Objekte oder Geräte, bei denen ein Übergang zwischen dem Weltraum und der Atmosphäre oder zwischen der Atmosphäre und Gewässern beobachtet wird und die nicht unmittelbar identifizierbar sind.
(5) Der Begriff „unidentifizierte Luftphänomene“ bedeutet.
(A)Objekte in der Luft, die nicht unmittelbar identifizierbar sind;
(B)Transmedium-Objekte oder -Geräte; und
(C)untergetauchte Objekte oder Geräte, die nicht unmittelbar identifizierbar sind und die Verhaltens- oder Leistungsmerkmale aufweisen, die darauf hindeuten, dass die Objekte oder Geräte mit den in Unterabsatz (A) oder (B) beschriebenen Objekten oder Geräten verwandt sein könnten.“

(Quelle: https://www.law.cornell.edu/uscode/text/50/3373)

Meldeverfahren für „UFO-Whistleblower“

Beachtenswert ist, dass nun ein sicheres Meldesystem eingeführt wird, mit dem amtierende oder frühere Mitarbeiter und Auftragnehmer der Regierung UAP-relevante Informationen an die UAP-Abteilung im Pentagon übermitteln können. AARO soll diese Informationen dann an die Streitkräfte- und Geheimdienstausschüsse im US-Kongress weiterleiten. Dazu zählen:

„(A) jedes Ereignis im Zusammenhang mit nicht identifizierten anomalen Phänomenen; und
(B) jede Aktivität oder jedes Programm eines Ministeriums oder einer Behörde der Bundesregierung oder eines Auftragnehmers eines solchen Ministeriums oder einer solchen Behörde in Bezug auf nicht identifizierte anomale Phänomene, einschließlich in Bezug auf Materialbeschaffung, Materialanalyse, Reverse Engineering, Forschung und Entwicklung, Erfassung und Verfolgung, Entwicklungs- oder Betriebstests und Sicherheitsschutz und Durchsetzung.“

Section 1673(b) sieht vor, dass diejenigen, die Informationen in das neue System einspeisen, damit keinen Verstoß gegen Gesetze begehen, die Verschlusssachen der nationalen Sicherheit regeln, und dass sie damit auch nicht gegen eine zuvor geltende Geheimhaltungsvereinbarung verstoßen. Dies gilt jedoch nur, solange die Informationen in das sichere System eingespeist werden. Ihre Bekanntgabe für die Öffentlichkeit bleibt verboten. Zudem ist weitreichende Anti-Repressionsklausel enthalten, die sowohl für Regierungsangestellte als auch für Auftragnehmer gilt.

Eine bemerkenswerte Neuerung gegenüber früheren Gesetzesentwürfen enthält Section 1673(a)(4)(B): Wenn AARO durch das neue Meldesystem Informationen über ein UAP-Programm mit beschränktem Zugang erhält, das den Verteidigungs- und Geheimdienstausschüssen im Kongress noch nicht bekannt ist, so wird der Verteidigungsminister angewiesen, die Ausschüsse und Führung des Kongresses innerhalb von 72 Stunden darüber zu informieren.

Die neue Whistleblower-Regelung macht deutlich, dass der US-Kongress offenbar davon ausgeht, nicht vollständig über bestehende geheime UAP-Projekte informiert zu sein und auf diese Weise versuchen könnte, die Oberaufsicht zurück zu erhalten.

AARO erhält höhere Stellung im Verteidigungsministerium

Sections 6802 und 6803 ändern die ursprünglichen Bestimmungen über die Gründung von AARO aus dem NDAA für 2022 (U.S.C. §3373) dahingehend ab, dass die Rolle und Aufgaben von AARO ausgedehnt und weiter präzisiert werden.

Insbesondere wertet das neue Gesetz den Status von AARO deutlich auf, denn Section 1683(b)(3)(A) sieht vor, dass der Direktor von AARO „direkt dem stellvertretenden Verteidigungsminister und dem Hauptstellvertreter des Direktors der Nationalen Geheimdienste untersteht“. Der stellvertretende Verteidigungsminister ist der zweithöchste Beamte im Pentagon. Laut Douglas Dean Johnson, einem ausgemachten Experten für UAP-relevante Gesetzesvorhaben, scheint diese Klausel „eindeutig darauf abzuzielen, dass AARO mehr Befugnisse beim Austausch mit anderen Militärorganisationen erhält“.

Bislang unterstand das UAP-Büro dem Under Secretary of Defense for Intelligence and Security (OUSDI&S), welches bei den Aktivitäten von AARO in Zukunft größtenteils außen vor bleibt. Lediglich Verwaltungsangelegenheiten sollen mit OUSDI&S geklärt werden. Aus Sicht von Insidern ist diese Entwicklung begrüßenswert. Denn der frühere Leiter von AATIP im Pentagon, Luis Elizondo, hatte im November 2021 davor gewarnt, OUSDI weiter einzubeziehen:

„Bitte bitte, nehmen Sie Kontakt zu Ihrem Abgeordneten auf und teilen Sie ihm mit, dass es dies weder akzeptabel noch im besten Interesse des amerikanischen Volkes ist. Das USDI ist genau jene Abteilung, die fortwährend über dieses Thema gelogen und Whistleblower verfolgt hat.“

Auch Christopher Mellon hatte sich im November 2021 in einem Blogbeitrag auf seiner Webseite ähnlich geäußert:

„Als ehemaliger Mitarbeiter des OSD bin ich schockiert, dass das Verteidigungsministerium die Aufgaben des UAP einem Aufsichtsstab zugewiesen hat, der weder über finanzielle Mittel noch über Weisungsbefugnisse, Vertragsabschlüsse, Befehlsgewalt oder technische Fähigkeiten verfügt. Die Unfähigkeit des USDI, sich in der UAP-Frage effizient zu engagieren, ist der Grund dafür, dass seit 2004 so wenig verändert oder erreicht worden ist.“

Die Entscheidung, den Unterstaatssekretär der Verteidigung für Geheimdienste und Sicherheit (USDI&S) künftig bei UAP-Ermittlungen außen vor zu lassen, scheint für diesen recht überraschend zu kommen. Noch wenige Tage zuvor hatte der amtierende USDI&S, Ronald Moultrie, bei einer Zoom-Konferenz mit ausgewählten Medienvertretern gesagt, man bemühe sich, „so viele Details mit der Öffentlichkeit zu teilen wie möglich“. In Zukunft wird Moultrie nun weit weniger mitzuteilen haben.

Untersuchung historischer Akten auf UAP-relevanten Inhalt

Section 6802 (j)(1)(A) weist den Direktor von AARO an, den Verteidigungs- und Geheimdienstausschüssen sowie der Führung des Kongresses einen Bericht über historische UFO-Aktivitäten der US-Regierung vorzulegen. Der Bericht soll sich auf folgende Quellen stützen:

„(i) Aufzeichnungen und Dokumente der Geheimdienstgemeinschaft;
(ii) mündliche Interviews;
(iii) Open-Source-Analysen;
(iv) Interviews mit gegenwärtigen und ehemaligen Regierungsbeamten;
(v) klassifizierte und nicht klassifizierte nationale Archive einschließlich aller Aufzeichnungen, die Dritte gemäß Section 552 des Titels 5 des United States Code erhalten haben; und
(vi) andere relevante historische Quellen, die der Direktor des Amtes für angemessen hält.“

Insbesondere wird bestimmt, dass der historische Bericht über die Verwicklung von US-Geheimdiensten aufklären soll, einschließlich:

„(I) jedes Programms oder jeder Aktivität, die durch einen eingeschränkten Zugang geschützt war und dem Kongress nicht ausdrücklich und eindeutig berichtet wurde;
(II) erfolgreiche oder erfolglose Bemühungen, nicht identifizierte anomale Phänomene zu identifizieren und zu verfolgen; und
(III) alle Bemühungen, nicht klassifizierte oder klassifizierte Informationen über nicht identifizierte anomale Phänomene oder damit zusammenhängende Aktivitäten zu verschleiern, die öffentliche Meinung zu manipulieren, zu verbergen oder anderweitig unrichtig zu machen.“ 

Für die Erstellung und Vorlage des historischen Berichts erhält AARO nach Inkrafttreten des neuen NDAA 540 Tage Zeit, also eineinhalb Jahre. Nichts im Gesetzestext deutet auf eine Verpflichtung der US-Regierung hin, diesen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Immerhin erhalten die Berichterstatter Zugang zu Geheimakten in Regierungsarchiven.

Objekte im Weltraum bleiben teilweise außen vor

Das Gesetz, das sich nun anbahnt, bleibt in Teilen hinter den ursprünglichen Anforderungen der Kongressausschüsse zurück. So hatte der Geheimdienstausschuss im US-Senat im Juli 2022 gefordert, dass der Weltraum bei den UFO-Untersuchungen des Pentagon noch deutlicher mit einbezogen wird. Um dies klar zu machen, sollte die UFO-Abteilung „AARO“ umbenannt werden in „Unidentified Aerospace-Undersea Phenomena Joint Program Office“ (dt: Gemeinsame Programmabteilung für Luft- und Weltraum sowie Unterwasserphänomene). 

Grund hierfür war laut Christopher Mellon, dem einst dritthöchsten Geheimdienstmann im Pentagon, dass die US-Luftwaffe ihre Beobachtungen von Objekten in der Umlaufbahn lieber für sich behalten wolle. Doch einige der interessantesten Beobachtungen würden im Weltraum gemacht. So verfüge auch die U.S. Space Force über „einige interessante Informationen“.

Doch daraus wurde nichts. Laut NDAA für 2023 bleibt der Name AARO bestehen.

Außerdem sollte der Begriff „UAP“ als „Luft- und Weltraum sowie Unterwasserphänomen“ definiert werden, um den Bezug zum Weltraum stärker zu verdeutlichen (vgl. https://www.intelligence.senate.gov/legislation/intelligence-authorization-act-fiscal-year-2023-reported-july-12-2022). Bislang werden Objekte in der Erdumlaufbahn nur dann vom Gesetz erfasst, wenn sie dabei beobachtet werden, wie sie in die Atmosphäre eindringen (Transmedium-Objekte).

Ich habe Christopher Mellon für diesen Artikel um eine Einschätzung gebeten, inwieweit sich die UAP-Begriffsdefinition auf den Umfang der UAP-Untersuchungen auswirken wird. Mellon antwortete mir:

„Für den Kongress ist der jeweilige Schauplatz unerheblich. Er möchte über alle Anomalien an jedem beliebigen Ort informiert werden, die auf neue technologische Fähigkeiten hindeuten könnten. Die Absicht ist klar, auch wenn die Sprache es nicht ist. Der Direktor von AARO und andere hochrangige Beamte in der Regierung verstehen das.“

Weiterhin wollte der Geheimdienstausschuss im US-Senat ursprünglich jene Objekte von der Pentagon-Untersuchung ausschließen, die „zeitweilig nicht zugeordnet werden können oder eindeutig als menschengemacht identifiziert wurden“. Doch im neuen NDAA ist diese Ausschlussklausel nicht mehr enthalten.

Zudem hatte der Geheimdienstausschuss im US-Senat ursprünglich vorgesehen, dass Mitarbeiter und Auftragnehmer der Regierung, die sich auf Grund der Weitergabe von Informationen Repressalien ausgesetzt sehen, privat dagegen klagen dürfen. Auch diese Bestimmung ist im neuen NDAA nicht mehr enthalten.

AARO bestimmt Vergangenheit und Zukunft der UAP-Forschung in Amerika

Was den historischen Bericht über Geheimdienstaktivitäten zu UAPs angeht, wurde der Berichtszeitraum zwar um zwei Jahre verlängert – ein vom Geheimdienstausschuss des US-Senats vorgelegter Gesetzesentwurf sah eine Zeitspanne bis zum 1. Januar 1947 vor. Diese Untersuchung sollte vom Government Accountability Office GAO (dt. etwa: Rechnungshof) durchgeführt werden, einem überparteilichen Untersuchungsorgan, das dem US-Kongress direkt unterstellt ist. Ein ähnlicher Gesetzesvorschlag kam aus dem Geheimdienstausschuss des US-Repräsentantenhauses. Doch mit dem neuen Gesetz fällt diese Aufgabe nun nicht mehr dem GAO zu, sondern AARO. Somit steht zu befürchten, dass die Regierung nun bestimmte Geheimnisse der Vergangenheit besser vor dem US-Kongress verbergen kann. Denn der Direktor von AARO und dessen Stellvertreter werden direkt vom Verteidigungsminister und vom Direktor der Nationalen Geheimdienste ernannt.

Alles in allem stellt das neue Gesetz vor allem eines sicher: Die fortgesetzte Behandlung des UAP-Themas im Rahmen des US-Militär- und Geheimdienstapparates – so wie seit Jahrzehnten.

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