Bei der nun von der britischen Regierung veröffentlichten Charge UFO-Akten handelt es sich vermutlich um die letzte Aktenfreigabe zum Thema unidentifizierte Flugobjekte, nachdem die Freigabe aufgrund von zahlreichen Anfragen aus der Bevölkerung im Mai 2008, in einem mehrschrittigen Prozess (wir berichteten 1, 2, 3, 4, 5) eingeleitet wurde. 2009 beschloss die Regierung außerdem das UFO-desk des britischen Verteidigungsministeriums zu schließen und in Zukunft keine weiteren Berichte über UFOs mehr zu sammeln.
Die Updates finden Sie am Ende dieses Artikels.
Von Tobias Berg
Die nun veröffentlichten Akten, die aus 25 Aktenordnern und insgesamt 4,400 Seiten bestehen, beschäftigen sich mit der Arbeit des UFO-desk des Verteidigungsministeriums in den Jahren 2007 bis zur Schließung der Abteilung in 2009. Die Akten setzten sich aus politischen Stellungnahmen, der Korrespondenz mit Ministern und Bürgern, Antworten auf Anfragen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetztes und Berichten über UFO-Sichtungen zusammen.
Funktion und Schließung des UFO-desk
Die Akte DEFE 24/2458/1 enthält Unterlagen über ein Briefing, welches vom Verteidigungsministerium für den damaligen Verteidigungsminister Bob Ainsworth zusammengestellt wurde. Dieses Dokument empfiehlt: “die Beschäftigung mit UFOs signifikant zu reduzieren, welche in zunehmender Weise Ressourcen verbraucht, aber keine nennenswerten Ergebnisse für die Verteidigung liefert.“ Des Weiteren wurde Ainsworth informiert, dass in mehr als 50 Jahren “keine UFO-Sichtung, die [dem Verteidigungsministerium] berichtet wurde, jemals einen Beweis für Außerirdische oder militärische Bedrohung erbringen konnte.“ Weiterhin gäbe es “keinen Nutzen für die Verteidigung, den die Aufzeichnung und Analyse von UFO-Sichtungen mit sich bringt.“ Beruhend auf dieser Einschätzung, empfiehlt das Verteidigungsministerium dem Minister; “keine weiteren Untersuchungen, egal aus welcher Quelle diese stammen, von UFO-Berichten mehr zu unternehmen.“
In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2008 erläutert das Verteidigungsministerium seine Position in Bezug auf die Untersuchung von unbekannten Luftraumphänomenen noch detaillierter. So ginge es dem Ministerium hauptsächlich darum potentielle Gefahrenquellen, die im britischen Luftraum auftreten können zu identifizieren und weniger darum, die genaue Natur der berichteten Phänomene zu erklären. Dabei vertritt das Ministerium die Position, dass für UFOs grundsätzlich rationale Erklärungen gefunden werden könnten, es jedoch nicht der Funktion des Verteidigungsministeriums entspräche, diesen Service der Identifizierung bereitzustellen. Außerdem, so geht aus den Akten hervor, habe sich “bis zum heutigen Tage noch kein UFO als eine Bedrohung für das Vereinigte Königreich erwiesen.“
Nichtsdestotrotz bezeichnet sich das Verteidigungsministerium in einem weiteren Schreiben als grundsätzlich offen für die Möglichkeit der Existenz von außerirdischen Lebensformen, habe bislang jedoch keine konkreten Hinweis darauf, dass die Erde von Außerirdischen besucht wird.
+++ 1. Update: 21.06.2013, 23 Uhr +++
Berichte über UFO-Sichtungen
Aus Akte DEFE 24/2458/1 geht hervor, dass das Verteidigungsministerium zwischen 2000 und 2007 durchschnittlich etwa 150 Berichte über UFO-Sichtungen erhielt. Bis 2009 verdreifachte sich diese Anzahl jedoch. Dieses hohe Aufkommen an gemeldeten Sichtungen in Kombination mit weiteren 97 Anfragen im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetztes waren nach Einschätzung des Ministeriums zu viel Arbeitsaufwand für das, mit nur einer Stelle besetzten, UFO-desk und monierte die Beschäftigung mit UFOs würde auf Kosten anderer Verteidigungsaufgaben gehen.
Neben vielen Sichtungsberichten, die durch sogenannte ’Chinesische Laternen’ ausgelöst wurden finden sich in den Akten jedoch auch interessante Fälle von UFO-Sichtungen.
Beinahe-Kollision eines Polizeihubschraubers mit unbekanntem Objekt
In Akte 24/2450/1 geht das Verteidigungsministerium auf die Nachfrage auf einen Vorfall aus dem Jahr 2008, bei dem ein Polizeihubschrauber beim Überflug des Stadtzentrums von Birmingham beinah von einem unbekannten Objekt getroffen wurde, ein.
Einem Zeitungsbericht zu Folge beobachteten die Insassen des Hubschraubers unidentifizierten Lichter, die sich um den Helikopter bewegten. Der Pilot, der den Lichtern ausweichen musste, versuchte erfolglos das Fluggerät, welches etwa 100 Meter entfernt war, zu identifizieren.
Aus der Untersuchung der britischen Flugsicherheitsbehörde ’Airprox Board’ geht außerdem hervor, dass auch die Wärmebildkameras an Bord keine Quelle des Flugkörpers in Form einer fernsteuernden Person ausfindig machen konnten. Das Objekt konnte auch nicht durch das Radar erfasst werden. Der Pilot vermutet, dass das Objekt mit Absicht um den Helikopter herum gesteuert wurde.
UFOs auf dem Radar
{module [426]}In einem Zeugenbericht (Akte DEFE 24/2624/1) beschreibt ein Radarlotse der Airforce, welcher sich selbst als sehr skeptisch in Bezug auf UFOs beschreibt, von einem spektakulären Vorfall aus dem Jahr 1994. Der Zeuge war damals auf der Luftwaffenbasis Lyneham in Wiltshire beschäftigt. Während einer Nachtschicht hatte der Zeuge, der zum damaligen Zeitpunkt schon 20 Jahre Berufserfahrung hatte und als Radarexperte eingestuft werden kann, Radarkontakt mit einem sehr großen Objekt, welches eine stationäre Position eingenommen hatte. Daraufhin informierte der Zeuge Piloten und den ’visual controller’, der das Signal auch mit einem DFTI (Distance to touchdown indicator) bestätigen konnte. Nachdem jedoch aus dem Fenster nichts zu sehen war, kehrte der Zeuge in den Radarraum zurück, wo er beobachten konnte, wie das Objekt explodierte und sich verschiedene Fragmente mit unglaublicher Geschwindigkeit in unterschiedliche Richtungen davon bewegten. Nach eigenen Aussagen erhielt er kurze Zeit später einen Anruf von einem aufgeregten Piloten der ihm berichtete: “Sir, ich habe nicht getrunken. Ich bin auf Wachdienst und habe gerade etwas sehr merkwürdiges beobachtet, von dem ich denke, dass die Abteilung für Luftverkehr informiert werden sollte.“ Der Pilot erklärte daraufhin, er habe ein helles Licht in östlicher Richtung gesehen, welches explodierte und Fragmente in alle Richtungen mit einer unfassbaren Geschwindigkeit davon flogen. Er meinte, er habe noch nie etwas mit so hoher Geschwindigkeit gesehen und dass es sich definitiv nicht um ein Flugzeug gehandelt habe. Wenige Minuten später erhielt der Zeuge einen weiteren Anruf eines Piloten, der die gleiche Beobachtung gemacht hatte.
Ein weiterer Radarkontakt mit einem unbekannten Objekt ereignete sich laut den Aussagen eines Militärzeugen (Akte 24/2455/1) im Sommer des Jahres 1953. Der Zeuge berichtet von einem Radarecho, welches sich entlang des Englischen Kanals mit einer Geschwindigkeit, die etwa der vierfachen, der zur damaligen Zeit möglichen Fluggeschwindigkeit entsprach, bewegte. Laut Verteidigungsministerium wurden zur damaligen Zeit Akten zu UFOs standardmäßig nach fünf Jahren vernichtet, weshalb es nicht möglich sei dem Zeugen, der eine Anfrage an das Ministerium gerichtet hatte, nähere Informationen zu seiner Sichtung zu geben.
Unbekanntes Objekt in Portsmouth schneidet Flugbahn eines Passagierflugzeugs
Ein Zeuge berichtet vom Beinahe-Zusammenstoß eines unbekannten Objektes mit einem Passagierflugzeug in Portsmouth im Oktober 2007. Der Zeuge beschreibt, wie er von einem Garten gegen Mittag ein ovales Objekt beobachtete, welches einem herannahenden Passagierflugzeug nur knapp und mit hoher Geschwindigkeit auswich (siehe Titelbild des Artikels). Nachdem der Zeuge eine Kamera aus dem Haus holte, war das Objekt verschwunden. Jedoch gelang es dem Zeugen ein weiteres Objekt, das in der Nähe des Standortes des Ersteren auftauchte, zu filmen. Das Objekt blieb für etwa 10 Minuten unbewegt, bevor es in den Wolken verschwand. Auf die Anfrage an das Verteidigungsministerium, die auch durch einen NATO-Experten unterstützt wurde, entgegnete das Ministerium nach Prüfung der Radardaten, dass es sich bei dem beobachteten Objekt vermutlich um ein kleineres Privatflugzeug gehandelt hätte, welches aufgrund der Position des Zeugen wirkte als würde es die Flugbahn des Airliners kreuzen.
Sollten sich in den letzten freigegebenen Akten des UFO-desk noch weitere interessante Fälle finden, werden wir natürlich an dieser Stelle weiter darüber informieren.
Quelle: ufos.nationalarchives.gov.uk
+++2. Update – 22.06.2013, 13 Uhr +++
Das britische Nationalarchiv hat anlässlich der Akten-Veröffentlichung auf seinem YouTube Kanal ein Video mit dem britischen UFO-Forscher David Clarke gepostet. Wir haben das Video mit deutschen Untertiteln versehen und uns erlaubt, den fehlerhaften Ton zu reparieren (dieser ist nun auf beiden Kanälen zu hören).
Britisches Nationalarchiv veröffentlicht letzten Stapel UFO-Akten (Sommer 2013)
Kommtar von Robert Fleischer:
Erwartungsgemäß dämpft der bekanntermaßen skeptische David Clarke in diesem Video jegliche Erwartungen an spektakuläre Enthüllungen, mit denen in einem offiziellen Video des Nationalarchivs sowieso nicht zu rechnen war. Wer es überhaupt schafft, das neunminütige Video ohne Gähnanfälle zu ertragen, gelangt erst ganz zum Schluss zur Schlüsselaussage Clarkes: „Über UFOs wird oft gesagt, dass die Wahrheit irgendwo da draußen ist. Meiner Meinung nach ist die Wahrheit hier in diesen Akten.“ Das mag sein. Aber ist es die ganze Wahrheit? Wie sieht es mit Akten aus, die als „Top Secret“ eingestuft sind? Wurden die überhaupt ans Nationalarchiv übermittelt?
Auch in einem gestern erschienenen Artikel im britischen Guardian preist David Clarke die Veröffentlichung der Akten als einen Schritt zur transparenten Regierungsführung. Damit hat er allerdings nicht ganz unrecht, wenn man bedenkt, dass die meisten UFO-Akten noch vor der gesetzlich vorgeschriebenen Frist geöffnet wurden. Insbesondere die deutsche Regierung, die im Gegensatz zu 20 anderen Nationen allen Ernstes behauptet, dass sich deutsche Stellen nie für UFOs interessiert hätten, könnte sich davon eine Scheibe abschneiden.
+++3. Update – 26.06.2013+++
Ehemaliger UFO-Spezialist des Verteidigungsministeriums: Freigabe britischer Ufo-Akten dient der Ablenkung von Medien und Öffentlichkeit!
Nach Angaben des ehemaligen Mitarbeiters des UFO-desks des britischen Verteidigungsministeriums (MoD), Nick Pope, dient die Behauptung des MoD, wonach Ufos nicht signifikant für die Verteidigung wären “einzig und allein dem Zweck uns das Parlament, die Medien und die Öffentlichkeit vom Hals zu halten.“
Popes deutliches Statement ist eine direkte Reaktion auf die kürzlich erfolgte und vermutlich letzte UFO-Aktenfreigabe des Verteidigungsministeriums.
Dem Sprecher des Verteidigungsministeriums und selbst ernannten UFO-Experten, David Clarke, zu folge, war die Feststellung, dass sich in den Akten kein Hinweis auf eine Bedrohung Großbritanniens durch UFOs finden ließe, der Grund für die Schließung des UFO-desks und ein Zeichen für die große Offenheit des Verteidigungsministeriums bezüglich der UFO-Thematik.
In Wahrheit, so Pope “enthalte das Informationsfreiheitsgesetz Großbritanniens weit reichende Ausnahmeregelungen, die die Bereiche Verteidigung, Sicherheit und Geheiminformationen betreffen.“ Außerdem seien die nun zugänglichen Dokumente vor ihrer Freigabe “für die Deklassifizierung begutachtet worden“.
In Bezug auf David Clarkes Statements erwiderte Pope: “Einige Leute würden wahrscheinlich den Begriff ’nützlicher Idiot’ verwenden, um seine Nachplapperei der Vorgaben durch das Verteidigungsministeriums zu beschreiben.“
Die Statements von Nick Pope stammt aus einem Artikel des ’UFOs und Atomwaffen-Forschers’ Robert Hastings, der sich unter anderem auch schwerpunktmäßig mit dem berühmten UFO-Vorfall im Rendlesham Forrest beschäftigte.
Hastings interviewte selbst zwei der Wachleute, die im Dezember 1980 eine Nahbegegnung mit einem unbekannten Flugobjekt hatten.
Macht man sich mit den Details dieses Ereignisses vertraut, lässt sich die Feststellung UFOs würden keine Bedrohung für die Sicherheit des Vereinigten Königreiches darstellen, freilich nur noch mühsam aufrechterhalten.
Quellen: